Klänge ließen Atem stocken

 
Das Orchester des Mandolinenvereins Auenheim, unter der Leitung von Jean-Philippe Hummel, spielte wieder nach vier Jahren Pause. Das Badische Zupforchester war zu Gast.

Violinistin Suzanne Da Costa-Kunz rührte zusammen mit dem Mandolinenorchester das Publikum zu Tränen. Foto: Simona Ciubotaru

Konzertbericht in der Kehler Zeitung vom 9. Mai 2023 von Simona Ciubotaru

Kehl-Auenheim.  Das Mandolinenorchester Auenheim feierte 2022 sein 100-jähriges Bestehen, aber ein anspruchsvolles Konzert gab es wegen Corona vier Jahre lang nicht mehr. So verwunderte es nicht, das ein immenses Interesse am Auftritt am Sonntag zahlreiche Besucher in die Auenheimer Kirche zog.

Das Repertoire beinhaltete sehr lyrische Stücke von Komponisten des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart. Die Werke eignen sich sehr gut für die klangliche Zartheit der Mandolinen und Gitarren - die Arrangements wurden vom Dirigenten Jean-Philippe Hummel meisterhaft gestaltet.

Das Orchester eröffnete das Konzert leise, ganz leise, geradezu wie flüsternd, mit "Impromptu" von Jean Sibelius, so dass schon bei den ersten Akkorden der Atem der Zuhörer stockte.

Darauf folgte "Snowstorm, IV. Romance" von Georgy Sviridov, in der Anna Radomskaya auf der Domra (eine Verwandte der Mandoline) die Sehnsucht ohne Namen und die Schwermut, die man der sogenannten "russischen Seele" zuschreibt, fühlbar machte. Sie ist eine wunderbare Musikerin, und der langandauernde Applaus zeigte, wie sehr sie das Publikum beeindruckte.

Mit "Autumn's smile" von Timotheos Arvanitakis verfestigte sich die Melancholie - das Stück klang wie ein Abschied vor dem Tod, schmerzhaft schön.

Zu Tränen gerührt

Die Violinistin Suzanne Da Costa-Kunz vertiefte diese Eindrücke ungemein mit ihrem Solo im "The Traveler" von Debbie Wiseman und "Theme from Schindler's Liste" von John Williams. Ihr Instrument ist über 200 Jahre alt und klingt tief, manchmal rau wie die Stimme der schwarzen Jazzsänger. Aber auch überraschend kristallin, und eine langgezogene, schwebende Passage in Pianissimo ließ den Gästen wieder der Atem stocken - die Augen voller Tränen.

Mit "Music" von John Milles, in Bearbeitung von Ingo Brzoska, verabschiedeten sich derweil die Auenheimer Musiker vom Auditorium - das Stück wurde in memoriam für eine Kollegin gespielt.

Die gesamte Darbietung war ein Aha!-Moment für viele Leute im Publikum - darunter auch Musiker - die zum ersten Mal ein Mandolinenorchester live spielen hörten: diese filigrane Zittrigkeit und Klanggewebe - Klänge wie aus Seide. Als Gegenpol anschwellende Töne, kugelrund, mit scharfen Umrissen und oft wie in einem Streichorchester klingend. Und dann diese Melancholie, die vielleicht unter den Instrumenten nur die Mandolinen als Markenzeichen haben.

Zudem ehrte der Vorsitzende des Mandolinenvereins Johannes Mellein Marlene Tömmes (Gitarre) und Horst Ross (Mandoline), die gemeinsam seit 65 (!) Jahren im Mandolinenverein spielen.

Den zweiten Teil gestaltete als Gast das Badische Zupforchester unter der Leitung von Jan-Paul Reinke. Das Orchester setzt sich aus den besten Zupfinstrumentenspielern im Baden-Württemberg und wird staatlich gefördert. Im Programm standen Louise Farrencs Symphonie Nr. 3 - erster Satz, dann "Priere á Notre Dame" von Léon Boellmann, "La oración del torero" von Joaquin Turina, das "Intermezzo sinfonico" von Pietro Mascagni und "Niflheimers letzte Fahrt" von Christopher Grafschmidt.

Dunkel und bedrohlich

Satte Fülle des Klanges durch die Gitarren, die wie ein einziges Instrument spielten, differenzierte Phrasierung und Präzision sind Markenzeichen des Badischen Zupforchesters. Den Höhepunkt erreichte es im "Niflheimers letzte Fahrt" von Christopher Grafschmidt, dunkel und bedrohlich gespielt. Es wirkte wie ein Sog, der Seelen in die Tiefen zieht - unfassbar virtuos wiedergeben.

Das Auditorium feierte alle Musiker mit begeisterten Ovationen und minutenlangem Applaus.

 
 

Weitere Fotos vom "Konzert in der Kirche 2023":

 

 

 

 

 

 

 

 
 
 
 

Weitere Informationen:
Zeitungsbericht der Kehler Zeitung als pdf-Datei (544 KByte)
Das Konzertprogramm als pdf-Datei (961 KByte)
 

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